Nie zuvor habe ich so viele Menschen arbeiten gesehen. An einem 1. Mai.
Wer war sonst noch auf der Demo? Nie zuvor war der Rathausplatz so leer. Wir wußten nicht wie viele und ob Demonstrationen erlaubt werden. Deshalb haben wir auch eine eigene kleine Standkundgebung angemeldet, mit zehn Personen. Am Bacherplatz. Beworben haben wir sie über unsere Kanäle. Bei der Anmeldung haben wir, wie üblich geschrieben das die Anwesenheit der Behörden nicht notwendig ist. Weil Park - weil kein Verkehr behindert wird und zum ersten Mal - war die Polizei trotzdem da. Einige von uns, waren zuvor am Praterstern beim MAYDAY Auftakt, aber um die Mittagszeit war es dort ruhig und so kam unsere Delegation zurück zu uns.
Unsere Standkundgebung – rief wie die meisten unserer Demonstrationen für ein bedingungsloses Wahlrecht auf. Von der Polizei wurde der Versammlungsleiter geprüft -sonst gab es keinen Stress. Kurz vor 14 Uhr wurde unsere Kundgebung von uns aufgelöst und wir machten uns auf den Weg zur Gedenkkundgebung für Marcus Omofuma. Um 14:00 Uhr haben wir die Gedenkkundgebung gefunden und uns bis zum Rathausplatz angeschlossen. Obwohl der Rathausplatz ziemlich leer war – einige hundert Demonstrant*innen – war die Stimmung unter den Anwesenden gut. Viele bekannte vermummte Gesichter zu sehen hebt die Stimmung. Die Wiedersehensfreude konnte teilweise den Ärger über den Zustand unserer Linken kompensieren.
Mit dem Eintreffen der MAYDAY und dank der Raddemos kam noch etwas Stimmung auf. Die massive Anwesenheit der Polizei hat etwas von einem Belagerungszustand. In diversen sozialen Medien gibt es Berichte über Übergriffe der Polizei – und in den bürgerlichen Medien – das typische österreichische Schweigen. Den stärksten Eindruck den ich hatte, war als ich über den Praterstern ging und dort dutzende Arbeiter sah – die am Praterstern Schienenarbeiten durchführten. Als ich mit meiner roten Fahne neben ihnen über die Straße lief, hat es mich gerissen. Die Baustelle war laut. Es wurde mit einer Kreissäge an den Schienen geschnitten. Trotz des Höllenlärms haben mich die Arbeiter gesehen und zu mir rübergesehen. Es war gleichzeitig deprimierend – aber ich war auch überrascht, denn ich konnte zu meiner Überraschung keine Wut in ihren Blicken entdecken.
Aus meiner eigenen Arbeit in den zehn Jahren des BOEMs hatte ich sehr viel intensiven Kontakt zu Arbeiterinnen aus der Baubranche. Wir hatten ja ein Arbeitercafe jahrelang geführt. Es war immer wieder zu sehen das vor allem die religiöse und ethnische Zusammensetzung der Arbeiterinnen von höherer Diversität geprägt war als in aktivistischen Zusammenhängen. Auch das es nach einer anfänglichen Berührungsangst eine höhere Toleranz und Akzeptanz gab. Auch einen problematischen Solidaritätsbegriff, denn viele der anwesenden österreichischen Arbeiterinnen waren FPÖ Sympatisant*innen, aber permanent in einem Lokal anwesend, das ein verlängertes Wohnzimmer der ex-jugoslawischen Diaspora war.
Tschechische und slowakische Arbeiter*innen die perfekt bosnisch, kroatisch, serbisch sprachen, weil es für sie leichter zu erlernen war als Deutsch. Auf die Frage, wen sie bei einer Wahl wählen würden, haben sie oft gesagt, wir würden FPÖ wählen, wie unsere Kollegen. Auf den Einspruch, das es gegen ihre eigene Interessen wäre, und das sie eine rassistische Position wählen würden, ernteten wir nur gelangweilte Blicke. Politik war ihnen egal.
Trotz dieser Abwesenheit von Politik hatten wir wilde Interaktionen. Abwesenheit in dem Sinn, das sie keine Geduld, Erwartung, keine Illusionen in repräsentative Politik hatten. Da sind sie uns Jahre voraus. Ein Hoch dem 1. Mai